Glasstrasse ist ein klassisches „mid-core“ Strategiespiel: zwar entscheidet vor allem das eigene Können über Sieg und Niederlage, aber die Komplexität ist deutlich geringer als bei Spielen wie Terra Mystica oder Imperial.
Dieses Spiel vom renommierten Spieleautor Uwe Rosenberg spielt im bayrischen Wald zu Zeiten der Glasproduktion. Die Spieler sammeln Resourcen, die sie über einen genialen Mechanismus automatisch in Glas und Ziegel umwandeln. Damit bauen sie Gebäude für einen direkten, oder dauerhaften Nutzen oder zusätzliche Punkte am Ende.
Thematisch passt dieses nostalgische Wirtschaften gut zu den letzten Spielen von Uwe Rosenberg, aber ansonsten fällt es etwas aus der Reihe: erstens ist es deutlich einfacher und kürzer und zweitens gibt es kein Worker Placement.
Interaktion: 8 aus 10
Zwar ist das innovativste Element die sehr innovative Produktionsscheibe, die automatisch Resourcen in Ziegel und Glas umwandelt. Geprägt wird das Spielerlebnis aber v.a. vom interaktiven Kartenmechanismus: Die Spieler wählen gleichzeitig und verdeckt Personenkarten aus: Wenn man eine Karte als Einziger spielt, kann man beide vorhandenen Aktionen ausspielen. Wenn ein anderer Spieler die gleiche Karte auf der Hand hat, so dürfen beide Spieler nur eine der beiden Aktionen ausspielen. Daher versucht man Karten auszuwählen, die einerseits nützlich für einen selbst sind, aber die den anderen Spielern nichts nützen. Gleichzeitig wählt man Karten aus, von denen man glaubt, dass die anderen Spieler sie spielen werden. Das macht Spaß und ist spannend, auch wenn es für Ungewissheit sorgt. Bei 2 Spielern ist dieser Auswahlprozess etwas strategischer, bei 4 Spielern fühlt sich das Ergebnis zufälliger an, da die Kartenauswahl von 4 Spielern mit angemessener Bedenkzeit schwer vorherzusehen ist.
Beim Gebäudebau schnappt man einem anderen Mitspieler ggf. absichtlich ein Gebäude weg, wobei dies aufgrund der hohen Kosten für Gebäude eher selten vorkommt.
Spaß: 7 aus 10
Manchen Spielern missfällt die Ungewissheit der Kartenauswahl, für sie fühlt es sich zu zufällig an. Mich persönlich stört das nicht, denn es ist kein echter Zufall, sondern Ungewissheit, es hängt letztlich von meiner Kartenwahl ab, was passiert.
Wie erwähnt macht die Kartenauswahl durchaus Spaß. Auch das Thema ist ansprechend. Was allerdings frustriert sind die Gebäude: viele der Gebäude sind etwas langweilig (wandle Resource A in Resource B um) oder geben extra Punke am Ende des Spiels, wenn eine ziemlich schwer zu erfüllende Bedingung erfüllt ist. Zusätzlich kosten die Gebäude eine Menge Resourcen, die zudem am Ende Siegpunkte einbrächten. Im Saldo kostet ein Gebäude oft Resourcen, die in etwa 3 Siegpunkte wert sind, um mir im besten Falle 0-6 Siegpunkte zu bringen. So verwundert es nicht, dass man am Ende nur um die 20 Siegpunkte hat und Sieger und Verlierer oft nur 3-4 Punkte trennen. Daher hat man das Gefühl, dass man zwar viele Fehler machen kann, aber selbst bei bestem Spiel am Ende vielleicht nur 1-2 Punkte mehr als der Widersacher hat. Da das Spiel durchaus einiges an Überlegung erfordert, fühlt sich mein Belohnungszentrum relativ vernachlässigt J
Die Solovariante kann ich nicht empfehlen, da dort der Zufall eine zu große Rolle spielt. Dort werden von den eigenen Karten welche zufällig gezogen, so dass man andere Karten ggf. gar nicht ausspielen kann.
Wiederspielreiz: 6 aus 10
Theoretisch sollte der Wiederspielreiz aufgrund der hohen Anzahl an Gebäuden hoch sein. Praktisch aber nicht, da die Gebäude insgesamt ziemlich schwach sind und der Spielstand aller Spieler immer ähnlich niedrig ist.
Dadurch gibt es keine Geschichte des Spielverlaufs, die es zu erzählt lohnt. Glasstraße ist ein exzellentes Beispiel dafür, dass zu viel Balancing schädlich ist. Die Auswahl aus vielen, sehr gut balancierten und daher ähnlich attraktiven Gebäuden gibt mir das Gefühl keine interessante Wahl zu haben.
Eine Erweiterung von Glasstraße mit neuen, interessanteren und mächtigeren Gebäuden könnte alle Probleme lösen und ein solides Spiel zu einem guten bis sehr guten Spiel machen!